Die hermeneutische Idee des Erkennens: Sache und Interesse

Die hermeneutische Philosophie ist nicht zuletzt eine originelle Wiederaufnahme der Frage: "Was heißt Erkennen?" Sie knüpft - vor allem in den Arbeiten Hans-Georg Gadamers - an die Frage der methodischen Selbständigkeit der Geisteswissenschaften an. Die Hermeneutik will jedoch nicht nur das Erkennen in den Geisteswissenschaften bestimmen. Sie will die menschliche Existenz auf eine neue Weise beschreiben, indem sich zeigt, daß das Hermeneutische nicht nur einer Art des wissenschaftlichen Erkennens, sondern der menschlichen Existenz als solcher eignet. Die Radikalisierung des Verstehensbegriffs, die Heidegger vorgenommen hat, hat wichtige Folgen für die Idee des Erkennens. Dieses wird als Verhältnis zu einer Sache konzipiert, das jedoch zugleich ein Sein-Können des Erkennenden darstellt. Die Rede vom "Hineindeuten" (Heidegger, Anzeige der hermeneutischen Situation) oder von der "produktiven Rolle der Vorurteile" (Gadamer) will auf die Untrennbarkeit zwischen der Sachlichkeit und dem Sein des Interpretierenden hinweisen, wobei Verstehen nie von seiner geschichtlichen Faktizität abzusondern ist.

Diese Verknüpfung ist in der neueren Entwicklung der hermeneutischen Philosophie nicht immer als hilfreich empfunden worden. Man kann einwenden, dass durch sie etwas verlorengeganen ist, und zwar die Möglichkeit, ein verlässliches Kriterium der Richtigkeit der Deutung zu etablieren und in eins damit bestimmte Interpretationen als falsch bezeichnen zu können. Vielleicht wäre es daher sinnvoll, die Sachbezogenheit der Interpretation nicht so eng mit der Heideggerschen Idee des Sein-Könnens zu verbinden, wie dies geschieht. Man kann z.B. an Arbeiten von Paul Ricoeur (La tâche herméneutique de la distantiation, zuerst in 1975) oder von Günter Figal (Gegenständlichkeit. Das Hermeneutische und die Philosophie, Tübingen 2006) hinweisen, die sich in diese Richtung begeben. So liegt es nahe, sich auf das Verhältnis zwischen Sachlichkeit und Interesse neu zu konzentrieren.

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  • Tagungsort: Prag, Vila Lanna
  • Termin: 24. und 25. November 2008
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